Sorgerechtsentzug
Ein Beispiel für Repressionen gegenüber Lesben
Es ist vor allem ein Verdienst der Historikerin Dr. Kirsten Plötz, ehemalige Vorstandsfrau im Dachverband Lesben und Alter, lesbischen und frauenliebenden Müttern eine Stimme zu geben. Mit Unterstützung des Dachverbands forscht sie seit einigen Jahren zu diesem tief verborgenen Unrecht. Den Impuls gab eine Frau, die Plötz nach einer Veranstaltung ansprach. Sie berichtete davon wie ihr in den 1980er Jahren im Scheidungsverfahren das Kind weggenommen wurde. Das Gericht sah bei einer lesbisch lebenden Mutter das Kindeswohl gefährdet.
Jutta Brambach, Vorstand Dachverband Lesben und Alter e. V., berichtet von ihren Erfahrungen in den 70er Jahren aus lesbischen Müttergruppen und ihrer Beratungsarbeit: „Die Angst und die akute Bedrohung lesbischer Mütter bei der Scheidung ihre Kinder zu verlieren, schwebte latent immer im Raum – ohne dass wir die Bedrohung explizit so hätten benennen können.“
Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, das Plötz mit einer konkreten Forschungsarbeit beauftragte. Am 14. Januar 2021 wurden die Studienergebnisse unter dem Titel „… in ständiger Angst …“ veröffentlicht. Der Titel verdeutlicht die ständige Bedrohung, in der sich lesbische Mütter befanden. Die rheinland-pfälzische Ministerin Anne Spiegel entschuldigte sich während der Online-Veranstaltung für das erlittene Unrecht. Der drohende Sorgerechtsentzug ist für die Mütter – aber auch für die Kinder – mit Scham und Ängsten verbunden. Viele Betroffene sind immer noch kaum bis gar nicht fähig, das Leid in Worte zu fassen und darüber zu reden. Wenn Sie etwas zum Thema wissen oder ihre eigene Geschichte erzählen möchten, Dr. Kirsten Plötz sucht auch weiterhin nach Zeitzeug*innen. Kontaktdaten und weitere Informationen finden Sie auf der Webseite sorgerecht-lesbischer-muetter.de.
Bisher weitgehend blinde Flecken, auch innerhalb der Community.
„Die Angst um das Sorgerecht ist aber nicht die einzige Form der Repression, der lesbische Frauen ausgesetzt waren“, betont Brambach. Lesbische und frauenliebende Frauen waren zwar in der BRD nicht strafrechtlich bedroht, aber Brambach kennt aus ihrer Beratungsarbeit beim Berliner Lesbenverein RuT. viele Fälle, in denen Frauen aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung, ihre wahren Gefühle nie gelebt sondern verleugnet haben. Und die Angst um die Kinder, die Angst vor Ablehnung durch Familie, Nachbar*innen, Arbeitskolleg*innen war berechtigt.
„Das Ausmaß an Repression, an Selbstverleugnung aus der Angst heraus ist bedrückend und in meinen Augen eine Art der Gewalt gegen frauenliebende Frauen, die bisher in keiner Weise thematisiert, geschweige denn öffentlich diskutiert wird“, fährt Brambach fort. Frauenliebende Frauen wurden als asozial oder psychisch krank abgestempelt. Sie verleugneten ihr Leben, ihre wahren Bedürfnisse und unterdrückten ihr wahres Ich. Oftmals auf Kosten der physischen und seelischen Gesundheit und vor allem auf Kosten eines selbstbestimmten erfüllten Lebens.
Bundesweite Aufklärung und Forschung ist erforderlich.
Der Dachverband Lesben und Alter fordert, dass:
- das erlittene verborgene Unrecht endlich aufgearbeitet werden. Die Betroffenen sind oft 60, 70, 80 Jahre alt und älter. Es ist gut, dass Rheinland-Pfalz einen Anfang macht, aber die Forschung muss auf andere Bundesländer ausgeweitet werden. Und zwar jetzt!
- die Betroffenen entschädigt werden und
- über Rheinland-Pfalz hinaus eine öffentliche Entschuldigung erhalten.
Beim Thema Repressionen ist es außerdem wichtig, die anderen Rahmenbedingungen in der ehemaligen DDR gesondert in den Blick zu nehmen. Lesbische und frauenliebende Frauen waren dort durch den § 151 zusätzlich strafrechtlich bedroht. Dafür können sie jetzt schon einen Antrag auf Entschädigung stellen (Beratungstelefon: 0800 1752017 – kostenfrei). Aber auch hier gilt es die gesellschaftlichen Mechanismen und Folgen nicht strafrechtlich relevanter Repressionen zu erforschen.