Offener Brief: Queere Altersarbeit in NRW erhalten!
An den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen,
Karl-Josef Laumann und
die Vorsitzenden der Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen von
BÜNDNIS 90/Die Grünen, Verena Schäffer und Wibke Brems
CDU, Thorsten Schick
Zur Kenntnisnahme an
Die Vorsitzenden der Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen von
FDP, Henning Höne
SPD, Jochen Ott
Berlin/Köln, 03.05.2024
Erhalten Sie die queere Altersarbeit in NRW!
Sehr geehrter Herr Minister Laumann,
sehr geehrte Fraktionsvorsitzende,
sehr geehrte Frau Schäffer, sehr geehrte Frau Brems,
sehr geehrter Herr Schick,
die queere Altersarbeit in NRW droht wegzubrechen. Lassen Sie das nicht zu!
Stärken Sie hingegen die Unterstützung lesbischer, schwuler und trans* Senior*innen im bevölkerungsreichsten Bundesland.
Seit 2011 leistet die Landesfachberatung für gleichgeschlechtliche und trans_idente Lebensweisen in der offenen Senior*innenarbeit in der Trägerschaft von rubicon e. V. über NRW hinaus wegweisende Antidiskriminierungsarbeit für mehr Diversität in der offenen Seniorenarbeit in NRW. Damit soll zum 30.6.2024 Schluss sein. Die Förderung durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW soll eingestellt werden.
Lassen Sie nicht zu, dass ab dem 1.7.2024 eine wichtige Kooperationspartner*in für die Öffnung der Seniorenarbeit wegfällt. Lassen Sie nicht zu, dass die Kommunen ohne fachliche Beratung auskommen müssen, wenn sie ihre Altersarbeit diskriminierungsfrei und divers ausrichten möchten. Die Landesfachberatung wendet sich systematisch an kommunale Fachabteilungen und Freie Träger. Ziel ist es, ein Verständnis für nicht-heteronormative Lebensweisen zu entwickeln und deutlich zu machen, lesbische, schwule und trans* Senior*innen haben andere Bedürfnisse nach Gemeinschaft, kulturellen Angeboten und Teilhabe-Aktivitäten als die Mehrheitsgesellschaft. In unserer alternden Bevölkerung ist es unbedingt notwendig, diese Ziele weiterzuverfolgen. Nur wer gesehen wird, bringt sich ein.
Das Sozialministerium NRW argumentiert, zielgruppenspezifische Seniorenarbeit sei Aufgabe der Regelstrukturen. Dieses Argument entbehrt jeder Praxiserfahrung. Mitarbeiter*innen der Kommunen und Freien Träger der Wohlfahrtspflege betonen, ihnen fehle Fachwissen und der Einblick in die Lebensweisen von lesbischen, schwulen und trans* Senior*innen. Zudem definieren Kommunen ihre Aufgabe anders als das Sozialministerium. Ein Beispiel dafür ist das angekündigte Aus der kommunal geförderten Fachstelle Altern unterm Regenbogen in Düsseldorf zum Jahresende 2024.
Auch die Selbsthilfestrukturen von queeren Seniorengruppen – vor allem im ländlichen Raum – brauchen Stärkung und Koordinierung. Allgemeine Initiativen gegen Rückzug und drohende Einsamkeit gehen an dieser Zielgruppe vorbei.
Zurzeit leben in NRW ca. 240.000 schwule, lesbische und trans* Personen ab 65 Jahren. Ihre Zahl wird in den kommenden Jahren zunehmen. Mit dem Wegfall der Landesfachberatung verlieren so Hundertausende eine starke Stimme und Interessenvertretung auf Landesebene. Nach Jahrzehnten der staatlichen Diskriminierung und strafrechtlichen Verfolgung droht ihnen erneut der Weg in die Unsichtbarkeit. Die Landesregierung NRW steht hier weiterhin in der menschenrechtlichen und gesellschaftspolitischen Verantwortung der Vorgängerregierungen.
Wir wissen alle: Angebote, die einmal wegfallen, kommen nicht wieder. Sie haben eine politische Verantwortung gegenüber lesbischen, schwulen und trans* Senior*innen in NRW. Es erfordert einen langen Atem, Vorurteile und Ausgrenzung in allen gesellschaftlichen Bereichen – auch in der Altenhilfe – abzubauen. Machen Sie sich als Sozialminister und Regierungsfraktionen weiterhin stark für die Strukturen der queeren Selbstvertretung in der Altersarbeit, für vielfältige Altersbilder und Lebensweisen.
Die Koalitionsvereinbarung „Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen 2022–2027“ spricht explizit davon, Landesfachstellen für LSBTIQ* auszubauen und Angebote für queere Senior*innen zu stärken. Wir fordern die Landesregierung auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Ermöglichen Sie die Arbeit der Landesfachberatung für gleichgeschlechtliche und trans_idente Lebensweisen in der offenen Senior_innenarbeit NRW über den 30.6.2024 hinaus.
Initiator*innen
Unterstützer*innen (alphabetische Reihenfolge)
Bundesverband Trans* e.V., Nora Eckert, Vorständin
CSD Deutschland e.V.
Lesbenring e.V.
LSVD+ -Verband queere Vielfalt NRW
Wirtschaftsweiber e.V., Regionalgruppe NRW